Beschäftigung mit kritischer Theorie
Kritische Theorie ist heute gesellschaftlich etabliert, akademisch wie im Feuilleton, in allen Varianten ihrer begrifflichen Formation und Deformation. Mittlerweile kann selbst das »kritische Verhalten«, also die Praxis, die Horkheimer in seinem Aufsatz über ›Traditionelle und kritische Theorie‹ 1937 für diese als Voraussetzung des Erkenntnis- und überhaupt Weltinteresses bestimmte, zum »Thema«, »Forschungsgegenstand« etc. gemacht werden, ohne dass eine solche Praxis, ja ohne dass eine irgend kritische Haltung auch nur peripher der Grund sein muss, sich – sei’s akademisch, sei’s journalistisch, sei’s »privat« – mit kritischer Theorie zu beschäftigen oder auseinanderzusetzen. Allein das verrät aber die perfide Versachlichung, schließlich Verdinglichung von kritischer Theorie, die so unweigerlich zur traditionellen, sogar unkritischen Theorie wird: »Beschäftigung« und »Auseinandersetzung« werden zur theoretischen Problemstellung, sind nicht selbst Reflexionsstufen in der theoretischen Kritik sozialer Verhältnisse, Weltverhältnisse, auf dem schwierigen Weg zur konkreten Praxis. Im Gegenteil: Theorie und Kritik werden abstraktifiziert; dass kritische Theorie Gesellschaftskritik ist, kann der Beschäftigung mit ihr vollkommen äußerlich bleiben, ist also für die eigenen gesellschaftlichen Bedingungen, die auch die Grundlage sind, sich eben etwa mit kritischer Theorie auseinanderzusetzen, im Prinzip völlig gleichgültig. Das ist das Schicksal der philosophischen Kritik, des kritischen Denkens in der bürgerlichen Gesellschaft, das sich im Aufstieg und Fall der bürgerlichen Gesellschaft, also im Übergang vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert manifestiert – im zwar in einem neuen Typus des Kritikers bzw. Philosophen als, nach Max Webers soziologischer Terminologie, Berufsmensch, also Berufskritiker bzw. Berufsphilosoph: schon die die Schule des Neokantianismus begründende Beschäftigung mit der Kantischen Erkenntniskritik hatte immer weniger mit der Kritik der Erkenntnis der als Neokantianer beruflich philosophierenden Berufsphilosophen zu tun (freilich, jemand wie Nietzsche ahnte das – ohne dass er kritisch vermochte, das, was er ahnte, im Sinne einer Dialektik der Aufklärung zu fassen).
Transzendentale Akustik / Digitale Musik
Die nächste Ausgabe der ›Testcard‹ widmet sich dem Themenkomplex Digitalität / das Digitale / digitales Zeitalter / digitales Leben etc. pp. unter dem Titel: ›Bug Report – digital ist besser‹; das Heft bzw. Buch erscheint voraussichtlich im November. Zeit genug, um sich auch im Rahmen der Sendereihe ›Transzendentale Akustik‹ dem Themenkomplex zu widmen.
Was ist also »digital«? – Zunächst ein Fachbegriff, der nicht mehr als ein bestimmtes physikalisches Vermittlungsverhältnis bezeichnet, nämlich eines, das nicht analog ist. »Typisch für digitale Systeme ist die unstetige, ziffernmäßige Arbeitsweise. Typisch für analoge Systeme, ist die Tatsache, dass verschiedene Systeme durch dieselben mathematischen Gesetzte beschrieben werden … Digital ist eine Sonderform diskreter Arbeitsweise, synonym mit numerisch bzw. ziffernmäßig.« (Karl Steinbuch, ›Die informierte Gesellschaft‹, Reinbek b. Hbg. 1968, S. 151 f.) Es geht um Kalkulation und Kybernetik; die digitale Arbeitsmaschine ist der Rechenapparat, also der Computer. Es gibt freilich auch analoge Rechengeräte; entscheidend für die digitale Technik sind die Bauteile und ihre Funktionsweise, nämlich mikroelektronische Schaltkreise, Prozessoren mit enormer Rechenleistung, die die Fähigkeiten menschlicher Hand- und Kopfarbeit bei weitem überbieten.
Die verwaltete Welt als Tatort
Kurt-J. Heering & Silke Porath, ›111 Gründe, »Tatort« zu lieben. Eine Liebeserklärung an eine ganz besondere Krimireihe‹, Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag: Berlin 2012, 352 S. brosch.