Die Unwirklichkeit
unserer Städte

Gesellschaft ist konstitutiv urbaner Raum. Die soziale Utopie ist immer auch eine städtische Utopie, selbst dort und dann, wo das Utopische konfrontativ die Realstadt überschreitet. Idealstädte sind dabei buchstäblich utopisch, nämlich Entwürfe von Nicht-Orten; gegen die Realität bleiben und bleiben sie als Idealstädte weitgehend unwirklich.
Erst zur Hochzeit der Moderne und auch ihres architektonischen Modernismus sind technische Mittel und vor allem soziale Zwecke vorhanden, die den phantastischen Idealstadtutopien, die – abgesehen von zum Beispiel Pizans ›Stadt der Frauen‹ – seit der Renaissance die Idee der humanen Gesellschaft illustrierten, ein reales, schließlich real-politisches konkretes Fundament geben: die Linie reicht hier von den sozialistischen und kommunitaristischen Planstädten des neunzehnten Jahrhunderts (Owen, Fourier, Howard etc.) über Le Corbusier, das Bauhaus (Siedlung Törten in Dessau) bis zu Costas und Niemeyers Brasilia, was dann merkwürdig postmodern realsozialistisch wie realkapitalistisch mündet im Osten und Westen, schließlich etwa in Neu Shanghai – und das sind Idealstädte, die beides nicht sind, nämlich kein Ideal und auch keine Stadt.
So steht am Ende die These zur Disposition, als Titel und Anfang dieses Buches: ›Stadt gibt es nicht!‹. Eine ausführliche Besprechung folgt!
(rb| Februar 2016)

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Andri Gerber / Stefan Kurath (Hg.), ›Stadt gibt es nicht! Unbestimmtheit als Programm in Architektur und Städtebau‹, DOM publishers: Berlin 2016, 90 Abb., 256 S. brosch.