Die Kamerun Obscura der Ideologie

Besprechung folgt (rb, 3|2016)

Erste Notiz. – Zum Cover: Banale Baselitz-Hommage. Nur die Augen sind richtig herum, d. h. wenn der Kopf wieder auf die Füße gestellt wird, dann sind nur noch die Augen falsch herum. Marx & Engels: Wenn in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebensosehr aus ihrem historischen Lebensprozess hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände auf der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen.« (›Die deutsche Ideologie‹, MEW Bd. 3, S. 25)
Was nun verkehrt herum in den Blick genommen wird: die Produktionsverhältnisse, und zwar gerade auch die, unter deren Bedingungen mit den Vorzeichen der alten disharmonischen Verwechslung von Pop als Punk so etwas wie Subversion oder zumindest Aufsässigkeit produziert wird.
Bei ›Now: Sex Image‹ (L’age d’or, 1997) war rückseitig zu lesen: »Die Verpackung dieser CD steht in keiner direkten Beziehung zu ihrem beinhalteten Tonträger.« Auf der Seite zwei im Booklet ein Foto, auf dem der Ausschnitt eines Schaufenster zu sehen ist, vor dem eine Bärenfellmütze ins Bild ragt, wie sie britische oder dänische Wachsoldaten tragen. Das Schaufenster gehört zu einem Herrenausstatter am Hamburger Rathausmarkt. Wir waren in dem Laden, um zu fragen, wo der Soldat herkommt. Die Verkäuferin hat dann »England« gesagt. Danach waren wir in einem dänischen Steakhaus essen, gleich um die Ecke. Da haben wir gesehen, dass die dänischen Wachsoldaten sich nur in ihren blauen Hosen von den britischen unterscheiden (schwarze Hosen).
Mit Schorsch Kamerun könnte sich, wäre das Klassenbewusstsein nicht durch den bürgerlichen Ästhetizismus so maßlos kompromittiert, das Proletariat der Popliteratur bemächtigen. Gleichzeitig wäre das auch nichts weiter als die billige Fortsetzung eben dieses bürgerlichen Ästhetizismus.

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Schorsch Kamerun, ›Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens‹, Ullstein Verlag: Berlin 2016, 246 S. brosch.