Der Rundfunk als Kommunikationsapparat ist ein Apparat der verwalteten Welt – in aller medialen Ambivalenz einer Dialektik der Aufklärung: Das Radio ist eine Propagandamaschine, aber auch ein Gerät der Subversion; das Radio stellt Öffentlichkeit als Ideologie her – und irritiert diese Öffentlichkeit, attackiert die Ideologie.
Die verwaltete Welt ist dadurch charakterisiert, dass die Politik bzw. das Politische aus den sozialen Beziehungen abgezogen wird, dass gleichzeitig aber auch individuelle, »private« Verhältnisse politisiert werden: Im Übergang von der fordistischen zur postfordistischen Gesellschaft entsteht so eine neue Form »kulturalisierter Politik« oder »politisierter Kultur« (ein anderer Begriff dafür ist: Ästhetisierung der Politik). Die Geschichte des Rundfunks ist dafür Ausdruck, Beispiel, vielleicht sogar Ursache und Bedingung: Das Radio ist das Medium dieser Ästhetisierung der Politik, und zwar einmal mehr – in aller Ambivalenz: immer wieder wird versucht, mit dem Radio Öffentlichkeit überhaupt oder eine andere Öffentlichkeit, eine Gegenöffentlichkeit zu etablieren, oder Scheinöffentlichkeit zu durchbrechen … Jedenfalls sind das Versuche des öffentlichen wie privaten Rundfunks, die in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren schließlich zum »Freien Radio« führen.
Mit den Freien Radios ist der Rundfunk erstmals ein Kommunikationsapparat. Wie steht es aber um die emanzipatorischen Möglichkeiten des Rundfunks? Gehört das allgemeine Gebot zu kommunizieren heute nicht längst zu den obersten Direktiven der verwalteten Welt? Welche Zukunft hat das Freie Radio?
(Vortrag im Rahmen des Radiofestivals: bermuda.funk – 15 Jahre on air; Mannheim, 7. November 2015.)
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