Alles, was ich bin
Hamburg – das ist die neben London wichtigste europäische Musikmetropole, jedenfalls sagte man das so, 1978, als hier am 20. November im Congress Centrum Hamburg zum ersten Mal Liza Minelli und Sammy Davis jr. gemeinsam auf der Bühne standen. Das ›Hamburger Abendblatt‹ schrieb damals in seinem Stadtjahrbuch über die Hansestadt: »Fast alle Schallplattengesellschaften sind hier vertreten, große Musikverlage residieren an der Alster, und auf den Konzertpodien geben sich internationale und nationale Stars die Klinke in die Hand.« Dazu ein Foto von Udo Jürgens – als deutscher Schlager-Star gepriesen, obwohl er ja Österreicher ist, geboren in Klagenfurt 1934 als Udo Jürgen Bockelmann. Er steht auf der Bühne, verschwitzt, aber mit ordentlicher Hose und Hemd; der Kragen ist gelockert, das Jackett hat er wohl ausgezogen. In der einen Hand hält er das Mikrofon, mit der anderen scheint er das Publikum zu dirigieren. Einige Fans stehen direkt vor der Bühne, klatschen oder heben vor Begeisterung die Arme in die Luft. Ein junges Mädchen hat sich durchgedrängt, sitzt keinen halben Meter entfernt vor Udo Jürgens auf dem Bühnenrand und reicht ihm eine einzelne Rose. Er sieht sie aber nicht.
Ziemlich lose, wenn nicht sogar nutzlose Notizen zu Pop, Kultur und Gesellschaft
Die gesellschaftliche Grundlage der populären Kultur ist der Kapitalismus, das heißt eine entwickelte, Waren-produzierende Tauschgesellschaft, die sich selbst als Konsumgesellschaft versteht (am Konsum, an der Vielfalt des Warenangebots hängt zum Beispiel heute die politische Idee der Freiheit). Pop = die Ware selbst wird zur Kultur.
»Kultur« ist im 19. Jhd. wesentlich getragen von der Leitkunst Literatur. Musik wurde meistens der Literatur und anderen Künsten untergeordnet (Ausnahme Schopenhauer). Kultur braucht objektivierbare Kunst; Musik zielt hingegen auf, so Hegel, »subjektive Innerlichkeit«.
Das ändert sich mit dem Pop: seit den fünfziger Jahren wird Musik mehr und mehr zur Leitkunst.
Das kulminiert in den 1970er Jahren. Siebziger: Hoch- und Kulminationszeit der Moderne, Umschlag der Moderne in Postmoderne. Disziplinargesellschaft verdichtet sich zur Kontrollgesellschaft.
Verallgemeinerung der Popkultur mit der Verfestigung der Kontrollgesellschaft, Verschiebung von Pop I zum Pop II (Diederichsen). Alles wird Pop – damit zugleich: Auflösung der Popkultur, Ende der Popmusik.
Pop und Kontrollgesellschaft werden diffus.
Schwierigkeiten einer Philosophie der Popkultur
Die kulturelle Praxis der modernen, kapitalistischen Gesellschaft hat in den letzten einhundertfünfzig Jahren Änderungen erfahren, die – je genauer sie untersucht werden – im nächsten Moment schon als Stagnationen erscheinen, als Strukturphänomene, denen gewissermassen wie in einer sozialen Unschärferelation entweder Wellen- oder Teilcheneigenschaften zugeordnet werden können.
Heute kann sich niemand mehr der Massenkultur entziehen; die Massenmedien und die durch sie verbreiteten Produkte, Informationen, Nachrichten etc. sind mittlerweile so umfassend verbreitet, dass auch die kritische Forschung kaum noch Distanz zur Massenkultur bewahren kann; solche Distanz wäre aber dialektisch zu gewinnen: Wer nur das untersucht, was im Horizont der eigenen popkulturellen Alltagspraxis liegt, geht so leer und blind vorbei, wie derjenige, der sich als Forscher an Phänomene heranwagt, die ihm in seinem kulturellen Alltag fremd, nichts sagend, verborgen bleiben. Der kalte Entzug des analytischen Blicks bleibt dem Material gegenüber so spröde wie der fröhliche Positivismus der Poptheorie.
¿Qué significa hoy Teoría Critica de la industria cultural? – Uma Entrevista
Ein Interview mit Jordi Maiso von der Zeitschrift Constelaciones für deren Kulturindustrie-Ausgabe – als PDF hier. (22)
»Kick out the Jams«
›Kick out the Jams, …‹
Vorläufige Notizen zu Pop, Protest und Politik. Ein Thesenpapier