Freibaduniversität Mai 2008

Thema der Sendung am 7. Mai 2008, 14.00 bis 15.00 Uhr:

Die Endgültigkeit der Gefühle

Auszug:
Mit den fünfziger Jahren kommt die Liebe als Thema wieder in die Welt zurück, aber in vollkommen anderer Weise, das heißt in strukturell anderen Liebesverhältnissen, die jetzt Gegendstand von Kunst, Kultur und medialer Beschäftigung mit dem gesellschaftlichen wie individuellen Leben werden. Auch Bernstein (der sich seinerzeit übrigens noch als Kommunist verstand) beschäftigt sich jetzt wieder mit dem Thema »Liebe«, und zwar mit dem tragischen Idealverhältnis der Liebe – Romeo und Julia: 1957 wird am Broadway das von Bernstein in Zusammenarbeit mit Stephen Sondheim geschriebene Musical ›West Side Story‹ uraufgeführt. Doch das hier inszenierte Liebesverhältnis ist völlig anders situiert als die Vorlage von Shakespeare: Jenseits der bürgerlichen Gesellschaft in den Armenvierteln New Yorks; als Romanze zwischen modernen Jugendlichen, deren Leben nicht mehr von der Familie und ihrer Autorität bestimmt ist; jenseits der bekannten sozialen Widersprüche, die bisher in der kapitalistischen Gesellschaft die Liebesverhältnisse irritierten, nämlich inmitten der Auseinandersetzungen verschiedener Jugendbanden – Anton der polnische Einwandererjunge, Mitglied der ›Jets‹, verliebt sich Maria, das Mädchen aus Puerto Rico, deren soziales Umfeld die ›Emeralds‹ sind.
In den fünfziger Jahren lösen sich in der westlichen Welt die Liebesverhältnisse von den Familienverhältnissen ab. Die ›West Side Story‹ von 1957 ist dafür exemplarisch, gerade weil und wie hier das alte Liebesthema in moderner, wenn nicht schon postmoderner Gestalt verwandelt wird. Als Kontrast dazu ist auf die 1936er Verfilmung desselben Stoffes von Regisseur George Cukor zu verweisen – ›Romeo And Juliet‹, mit Norma Shearer und Leslie Howard. Hier ist das tragische Liebesverhältnis noch ganz klar an eine komplizierte Familiengeschichte gekoppelt, genauer gesagt an die Stereotypen der ehrbaren, intakten, mächtigen und einflussreichen Familie – und eben nicht, wie in Bernsteins und Sondheims Adaption, an gewalttätige, als kriminell und delinquent geltende, sozial deklassierte Jugendbanden. Inwiefern die Liebe als Thema der Massen- und Hochkultur noch in den dreißiger Jahren sowohl überhaupt virulent war – bevor sie mit dem Zweiten Weltkrieg vorläufig verschwand –, als auch in die Ideologie und den Mythos des bürgerlichen Familienideals eingebunden war, zeigt sich in Hollywood-Produktionen der damaligen Zeit deutlich in Produktionen wie ›Die Kameliendame‹ mit Greta Garbo (1936; Regie: George Cukor) oder vor allem ›Vom Winde verweht‹ (1939; Regie: Victor Fleming), oder selbst in Komödien wie ›Leoparden küsst man nicht‹ mit Kathrine Hepburn und Cary Grant (1938; Regie: Howard Hawks) oder ›Ninotschka‹ (1939; Regie: Ernst Lubitsch).

Sendemanuskript kann – wie immer – angefordert werden.

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