Hallenbaduniversität April 2007

Invasionen der Moderne

[Einleitung]

Eine Invasion bezeichnet das »feindliche Einrücken von Truppen in fremdes Gebiet«; in dieser Bedeutung hat sich das Wort in der Neuzeit nicht nur als militärischer und politischer Begriff etabliert, sondern ebenso als medizinischer Fachterminus der Pathologie (»das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper«). Freilich hat es auch schon in vormodernen Epochen, in der Antike und im Mittelalter, Invasionen gegeben: die Expansion des römischen Reichs, die großen Eroberungsschlachten, die Kreuzzüge des Christentums, die Ausbreitung der arabisch-persischen Zivilisation etc. Für die Invasionen der Neuzeit ist jedoch der spezifische Charakter des invasorischen Angriffs und Einfalls entscheidend, der über die Logik des Krieges hinausweist und dem Eindringen, dem Überfall, der Eroberung einen neue geopolitische Signatur verleiht: Es ist mehr als das ›Invadere‹, »auf einen Ort losgehen«, nämlich eben das Einrücken des Feindes, der nicht nur strategisch-militärisch Feind ist, aufgrund seiner Stärke und Kampfkraft, sondern der als Feind eine Bedrohung darstellt: der Feind als Ungeheuer, als Monster, als unbekannter und unheimlicher Alien; und genauso ist für den Feind, der als fremde Macht erscheint, das Territorium, in das er einfällt, ebenfalls etwas Fremdes, ein unbekannter und unheimlicher Raum. Die Gefahr, die diese Doppelfigur des Fremden bedeutet, ist nicht die bloße Annexion oder Okkupation; vielmehr bedeutet sie die Zerstörung, insbesondere die Zerstörung einer »kulturellen Identität«: sei’s durch Assimilation (ein wesentliches Moment des Antisemitismus – der »unauthentische« Jude eignet sich die »authentische« Volkskultur an), sei’s durch »Überfremdung« (das Grundmotiv der Xenophobie – der »Ausländer« verdrängt die echte, ursprüngliche »einheimische« Kultur), sei’s durch Destruktion (eine übliche Projektion des Rassismus, die Angst vor der Vernichtung der »weißen«, »westlichen« Zivilisation; der »schwarze Jazz« zerstört die »weiße Musikkultur« etc.), sei’s schließlich durch die Auslöschung des Lebens selbst.

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