Hallenbaduniversität
Februar 2008

Sex-Pop
Einige Anmerkungen zu Triebstruktur und Gesellschaft im zwanzigsten Jahrhundert

Zweifellos hat der Pop das Verhältnis zur Sexualität verändert und zweifellos hat der Sex im Namen des Pop das Verhältnis zur Kultur verändert. Rock ’n’ Roll meinte von Anfang an nicht einfach Musik, sondern eine wilde Musik des Begehrens, der Körper, der Lüste – eine mit der Kultur gebändigte Sexualität, die gleichzeitig als Befreiung des Sexes erscheint. Pop kann als die Fortsetzung der Sexualität mit anderen Mitteln verstanden werden.
Michel Foucault hat von einem Dispositiv der Sexualität gesprochen (Dispositiv = Vorkehrung, Apparat, Mechanismus …), von einem an den Sex gebundenen Machttypus, der bereits im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts, vor allem dann aber im zwanzigsten Jahrhundert zu einer ›Scientia sexualis‹ geführt hat, durch welche die alte, in der griechischen Antike gegründete ›ars erotica‹ abgedrängt, wenn nicht ersetzt wurde. Charakterisiert ist diese ›Scientia sexualis‹ durch eine Vermehrung der Diskurse über den Sex innerhalb der letzten drei Jahrhunderte – und die Annahme, dass wir es in der gegenwärtigen Gesellschaft mit einer Verknappung dieser Diskurse zu tun haben, also mit einer zunehmenden Tabuisierung des Sexes, enttarnt Foucault in seiner ›Histoire de la sexualité‹ als Effekt einer der Strategien, über den Sex zu reden, ja unablässig über ihn reden zu müssen: die Gesellschaft ist auf unterschiedlichsten Ebenen damit beschäftigt, den Sex zum Sprechen zu bringen, setzt nachgerade mit einer gewaltigen Obsession einen ›Wille zum Wissen‹ durch, der das Geständnis über den Sex – vor allem in seinen diskursiven Formen der Perversion – zur »Wahrheit« erhebt.

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