Hallenbaduniversität
Januar 2007

Zur kritischen Theorie des Subjekts

1. Problem einer kritischen Theorie des Subjekts
Eine kritische Theorie des gesellschaftlichen Subjekts ist allein deshalb schwierig anzugehen, weil einerseits der Begriff der Gesellschaft bereits ein Subjekt voraussetzt, weil andererseits das Subjekt nur in seiner Vergesellschaftung zu begreifen ist (einmal davon abgesehen, dass die subjektive Frage nach dem gesellschaftlichen Subjekt selbst gesellschaftlich motiviert ist). Weder Gesellschaft noch Subjekt sind Invarianten, sondern bezeichnen geschichtliche Konstellationen menschlicher Lebensverhältnisse, die erst im Zuge der neuzeitlichen Philosophie auf den Begriff gebracht wurden; als philosophischer Begriff ist allerdings vor allem ›Subjekt‹ (und dazu ›Subjektivität‹, ›Individuum‹, ›Selbst‹, ›Ego‹, ›Person‹, ›Mensch‹, aber auch ›Objekt‹) derart idealistisch verabsolutiert worden, dass das Subjekt nur durch eine radikale Kritik der Philosophie als gesellschaftliches Subjekt materialistisch bestimmt werden konnte. Die Philosophie blieb gewissermaßen beim Erkenntnissubjekt als subjektiver Selbsterkenntnis hängen; das heißt das philosophische Problem des Subjekts wurde zum Problem der Philosophie schlechthin. Erst mit der kritischen Theorie der Gesellschaft, wie sie im neunzehnten Jahrhundert von Marx formuliert wurde, gelang es, das Subjekt als gesellschaftliches in Hinblick auf seine konkrete Praxis zu begreifen; so konnte etwa ein revolutionäres Subjekt bestimmt werden, nicht weil es seine Geschichte wirklich denkt, sondern weil es die Möglichkeit hat, in die Geschichte praktisch einzugreifen.

(Der Beitrag wurde in der Phase2, Heft 22, Dezember 2006, veröffentlicht; siehe: )

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