Hallenbaduniversität
November 2015

Thema:

Begriffe und Bilder der Gewalt

Zur Einführung: Noch einmal eine kleine Erinnerung an den Pop, an die Popmusik 1965 und überhaupt: Im und als Pop erweiterte Kulturindustrie seit den 1960er Jahren.

Es geht um Gewalt; genauer: um den Status, nämlich Begriffe und Bilder der Gewalt im …

… Zeitalter der Extreme (Hobsbawm).

… Zeitalter des Exterminismus (Thompson).

… Zeitalter der Angst (Auden).

(Dazu im Kontrast die Rede vom Informationszeitalter, Medienzeitalter, Freizeitgesellschaft, Wissensgesellschaft etc.)

Diskussionsfragen: Was bestimmt Gesellschaft? Was sind die wirklichen Lebensverhältnisse, und wie konstituieren sie sich? Was macht Gesellschaft überhaupt möglich?

Demokratisierungsprozesse: Dynamik neuer Form von Macht, nämlich Verkettung von Freiheit und Herrschaft (Versachlichung der Freiheit; Freiheit wird jetzt wirklich die Einsicht in die Notwendigkeit).

Gleichwohl hat selbst diese Freiheit für viele Menschen keine lebensweltliche Realität.

Freiheit ist in Herrschaft verkapselt: Freiheit bleibt ein Sediment der Herrschaftsverhältnisse bzw. Herrschaftsgeschichte, realisiert sich nur als Ideologie, als notwendig falsches Bewusstsein.

Diese Form versachlichter Freiheit konstituiert sich als »aushaltbare« Normalität. (Und diese Normalität wird zum faktischen Ausnahmezustand, dem der mögliche Ausnahmezustand – Terror – entgegengesetzt wird …)

[Kurze Bemerkungen zu ›Children of Man‹ (R: Alfonso Cuarón, USA/GB 2006)]

* * *

Verhältnis von gesellschaftlicher Gewalt und Naturgewalt.

Faktische Gewalt: positives Recht, aber auch Gewalt als Schicksal etc.

Gewaltformen oder Gewaltförmigkeit manifestiert sich über Bilder.

Strukturelle Gewalt bleibt abstrakt. Bilder machen Gewalt konkret – um sie zu kompensieren, vor allem aber um sie zu reproduzieren. Realität wird im Bild verdoppelt.

Images zeigen »Gewalt« / Gewaltverhältnisse (wieder) als Schicksal.

Signatur der Bilder ist »Angst«.

(Gewaltbilder der Angst stabilisieren und sichern damit den – demokratisch verregelten – paradoxen Gewaltzustand, der mit Gewalt die Gewalt eingrenzt, zu verhindern beansprucht, zu ordnen und zu ahnden verspricht etc.)

Die sechziger Jahren sind für die Konstitution solcher Gewaltbilder entscheidend: Über »Kultur« wird Gewalt normalisiert. »Kultur« (Popkultur / Pop-Art, vgl. die Arbeiten von Andy Warhol) macht es zudem überhaupt erst möglich, dass Gewalt als Gewalt öffentlich problematisiert werden kann.

Zugleich schafft der Pop eine eigene »idealisierte«, wenn nicht »phantastische« Ikonografie der Gewalt (in der Musik, in der Fotigrafie, im Film, im Spiel, in der Mode etc.).

Ubiquität der Gewalt. Allerdings: Wenn alles Gewalt ist, ist nichts mehr Gewalt. Gewalt wird indifferent – und damit banal. Adornos Diktum, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, sei barbarisch, war ein Skandal und hat eine – sicherlich: bürgerlich-affirmative – Kultur irritiert. Das ist heute nicht mehr so. Überdies: Adornos Diktum bleib folgenlos; d. h. heute überhaupt nur zu diskutieren, ob Kunst nach Auschwitz (oder sogar zu Auschwitz) möglich ist, geht völlig unter in einer Normalität, in der jede auch nur denkbare, dumme wie kluge Art und Weise, sich mit dem systematischen Massenmord auseinanderzusetzen, da ist und permanent wiederholt wird.

Die Bilder sind alle bekannt.

D. h. keine reflexive Rationalisierung der Gewalt mehr möglich. Denn: Einerseits Versachlichung – Entemotionalisierung der Verhältnisse (Inhumanisierung). Andererseits aber genau das Gegenteil im Bereich der (Pop-) Kultur: totale Emotionalisierung der Lebensverhältnisse.

(Vgl. dass zur selben Zeit, in der Sorel und andere über Gewalt schreiben, auch Wallace seine Krimis schreibt.)

Die Bilder der Gewalt machen die realen Gewaltverhältnisse aushaltbar – und zwar gerade deshalb, weil sie den realen Gewaltverhältnissen nur imaginär entsprechen …

(Fortzusetzen.)

 

Musik.

  • Tom Jobim, ›Crônica da Casa Assassinada. Trem para Cordisburgo. Chora, Coração. O Jardim Abandonado. Milagre e Palhaços‹
  • Brad Mehldau, ›At the Tollbooth‹

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