Ästhetik des Widerstands, Politisierung der Kunst. Notiz
Walter Benjamin forderte in seinem Aufsatz ›Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit‹ von 1936 gegen die Ästhetisierung der Politik eine Politisierung der Kunst. Welche Kunst und welche Politik waren damit gemeint? Benjamin stellte die Forderung zu einem Zeitpunkt, zu dem klar sein musste, dass die künstlerischen Avantgarden wie auch die emanzipatorische Linke gleichermaßen gescheitert waren: von den Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft korrumpiert, vom Faschismus, Nationalsozialismus, aber auch Stalinismus vernichtet, schien sich unter Bedingungen des Terrors jede politische wie ästhetische Form der Kritik theoretisch wie praktisch zerschlagen zu haben. Und zwar nicht zuletzt deshalb – mithin ist das die dialektische Volte in Benjamins Postulat –, weil die Ästhetisierung der Politik eine Politisierung der Kunst tendenziell unmöglich macht.
In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, ab Ende der vierziger Jahre und dann vor allem seit den Fünfzigern, finden sich dennoch zahlreiche Versuche, diese Politisierung der Kunst umzusetzen (mit unterschiedlichsten Ansprüchen und Vorstellungen von dem, was »Politisierung« und was »Kunst« bedeutet; zum Beispiel: Abstrakter Expressionismus, Pop-Art, oder der Antiformalismus des Sozialistischen Realismus sind hierfür paradigmatische Entwicklungen). Als »Politisierung der Kunst« entsteht jetzt eine so genannte Gegenwartskunst – als konstitutives Segment der fortgeschrittenen Kulturindustrie, und damit als integrales Moment der Ästhetisierung der Politik. Überdies verdichtet sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die Ästhetisierung der Politik zur ›Gesellschaft des Spektakels‹; und gegen diese kann eine Politisierung der Kunst nur in der doppelten Aufgabe gefasst werden: als Aufhebung von »Politik« wie »Kunst« gleichermaßen. Mehr noch: die Ästhetisierung der Politik und die Politisierung der Kunst konvergieren. Die Gegenwartskunst ist das Spektakel.
Beschäftigung mit kritischer Theorie
Kritische Theorie ist heute gesellschaftlich etabliert, akademisch wie im Feuilleton, in allen Varianten ihrer begrifflichen Formation und Deformation. Mittlerweile kann selbst das »kritische Verhalten«, also die Praxis, die Horkheimer in seinem Aufsatz über ›Traditionelle und kritische Theorie‹ 1937 für diese als Voraussetzung des Erkenntnis- und überhaupt Weltinteresses bestimmte, zum »Thema«, »Forschungsgegenstand« etc. gemacht werden, ohne dass eine solche Praxis, ja ohne dass eine irgend kritische Haltung auch nur peripher der Grund sein muss, sich – sei’s akademisch, sei’s journalistisch, sei’s »privat« – mit kritischer Theorie zu beschäftigen oder auseinanderzusetzen. Allein das verrät aber die perfide Versachlichung, schließlich Verdinglichung von kritischer Theorie, die so unweigerlich zur traditionellen, sogar unkritischen Theorie wird: »Beschäftigung« und »Auseinandersetzung« werden zur theoretischen Problemstellung, sind nicht selbst Reflexionsstufen in der theoretischen Kritik sozialer Verhältnisse, Weltverhältnisse, auf dem schwierigen Weg zur konkreten Praxis. Im Gegenteil: Theorie und Kritik werden abstraktifiziert; dass kritische Theorie Gesellschaftskritik ist, kann der Beschäftigung mit ihr vollkommen äußerlich bleiben, ist also für die eigenen gesellschaftlichen Bedingungen, die auch die Grundlage sind, sich eben etwa mit kritischer Theorie auseinanderzusetzen, im Prinzip völlig gleichgültig. Das ist das Schicksal der philosophischen Kritik, des kritischen Denkens in der bürgerlichen Gesellschaft, das sich im Aufstieg und Fall der bürgerlichen Gesellschaft, also im Übergang vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert manifestiert – im zwar in einem neuen Typus des Kritikers bzw. Philosophen als, nach Max Webers soziologischer Terminologie, Berufsmensch, also Berufskritiker bzw. Berufsphilosoph: schon die die Schule des Neokantianismus begründende Beschäftigung mit der Kantischen Erkenntniskritik hatte immer weniger mit der Kritik der Erkenntnis der als Neokantianer beruflich philosophierenden Berufsphilosophen zu tun (freilich, jemand wie Nietzsche ahnte das – ohne dass er kritisch vermochte, das, was er ahnte, im Sinne einer Dialektik der Aufklärung zu fassen).
Peter Osbornes Philosophie der Gegenwartskunst
Die Grundthese von Peter Osbornes fulminanter Großstudie ›Anywhere or Not at All‹, in der er nicht weniger unternimmt als eine, so der Untertitel des Buches, »Philosophie der Gegenwartskunst« zu entfalten, ist klar: »Contemporary art is postconceptual art«. Beziehungsweise: »Contemporary art, in the critical sense in which the concept has been constructed in this book, is a geo-politically reflexive …
Wahnsinn und Gesellschaft
Wahnsinn und Gesellschaft. Reflexionen aus dem verrückten Leben [OPAK, #03, Oktober und November 2009] Als PDF: hier (30)
Welt am Draht
›Geisteskrank und gefährlich‹ – Rainer Werner Fassbinders Fernseh-Sciencefiction-Film ›Welt am Draht‹ als restaurierte Fassung auf DVD. Als PDF: hier (23)
Bildungskrise und Bildungskritik
Bildungskrise und Bildungskritik. Bemerkungen, Überlegungen, Hinweise
[Rundfunkmanuskript, FSK Hallenbaduniversität, 5. Mai 2010]
»Kick out the Jams«
›Kick out the Jams, …‹
Vorläufige Notizen zu Pop, Protest und Politik. Ein Thesenpapier