Dialektik im Stillstand
Walter Benjamins materialistische Kulturphilosophie expliziert den Versuch, die kapitalistische Gesellschaft, wie sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts darstellte, aus der spezifischen Logik des Modernisierungsprozesses des 19. Jahrhunderts heraus freizulegen. Das 20. Jahrhundert offenbarte schon in seinen ersten Jahrzehnten die barbarische Gewalt eines »Zeitalters des Exterminismus« (Edward P. Thompson); im Schatten des Ersten Weltkrieges, des Kolonialismus und der politischen Reaktion kündigte sich bereits der faschistische Terror an. Benjamin bestimmte die Ursachen in der spezifischen gesellschaftlichen Konstellation, den Ungleichzeitigkeiten, mit denen sich die Warenwirtschaft im 19. Jahrhundert durchsetzte: Paris erschien ihm aus besonderen Gründen als »die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts«; denn hier konzentrierten sich die widersprüchlichen Kräfte, die ökonomischen, politischen, technischen, kulturellen und sozialen, die mithin die Antagonismen der bürgerlichen Gesellschaft im Kern charakterisieren – dazu gehört auch die nur im Widerspruch realisierte Idee der Bildung. Auch wenn Benjamin keine systematische Bildungstheorie formuliert hat, sind seine kritischen kulturphilosophischen Explikationen bildungstheoretisch zu lesen und methodisch fruchtbar zu machen als Werkzeuge zur Analyse und Kritik gegenwärtiger Bildungsprozesse. In diesem Sinne spricht Benjamin selbst vom »pädagogischen Vorhaben« in seinem Passagen-Werk und präzisiert den Begriff der Bildung in seiner Bildbedeutung mit einem Zitat Rudolf Borchardts: »Das bildschaffende Medium in uns zu dem stereoskopischen und dimensionalen Sehen in die Tiefe der geschichtlichen Schatten zu erziehen.« (Benjamin)
Krise und Illusion. Zur Philosophie der Massenkultur
»Es ist unwidersprechlich: es mangeln der Massakultur unsers Geschlechts und der einzig möglichen Massabehandlung derselben wesentliche Fundamente, deren festes, gesichertes Dasein die Individualkultur desselben wesentlich anspricht und ansprechen muss. – Mehr noch: Sie, die Massakultur unsers Geschlechts, ruht als solche wesentlich auf Fundamenten, die den Ansprüchen unserer Individualkultur unwidersprechlich entgegenstehen. Die Massakultur und mit ihr die wesentlichen Formen und Gestaltungen des gesellschaftlichen Zustands gehen unwidersprüchlich überwiegend von den Ansprüchen unsers Fleisch und Blutes aus.« Diese Sätze des Bildungstheoretikers Johann Heinrich Pestalozzi von 1823 gehören zu den ersten Zeugnissen, in denen von Massenkultur die Rede ist. Seine Sorge über Mangel und Mängel der Massenkultur akzentuiert bereits das für das Bürgertum des 19. Jahrhunderts symptomatische Verhältnis zur Kultur: Die Massenkultur sei in ihrer Entwicklung und Wirkung von einer höheren Kultur grundsätzlich zu unterscheiden; die Massenkultur bedeute eine Gefahr für die höhere Kultur, habe ihren Ursprung in niederen Trieben und Bedürfnissen, und führe kaum zur Verbesserung des Menschen.
Klasse Geschichte Bewusstsein. Was bleibt?
Am 30. März 2015 erscheint im hochgeschätzen Verbrecher Verlag: Hanno Plass (Hg.), ›Klasse Geschichte Bewusstsein. Was bleibt von Georg Lukács’ Theorie?‹.
Urbane Klangräume
›Radio City. Urbane Klänge in der verwalteten Welt, sieben Notizen‹, in: Melanie Albrecht und Michael Wehren (Hg.), ›Verortungen / Entortungen – Urbane Klangräume‹, Neofelis Verlag: Berlin 2014.
Das Ende der Enthaltsamkeit
In dem kleinen Edition Nautilus-Samtband ›Das Ende der Enthaltsamkeit. Über Bars, Cocktails, Selbstermächtigung und die Schönheit des Niedergangs. 7 Zirkel des Golem‹, herausgegeben von Anselm Lenz & Alvaro Rodrigo Piña Otey, habe ich über ›Alkohol‹ geschrieben. Unbedingt lesenswert mithin: der Beitrag von Kerstin Stakemeier (dass die Rezensenten [Männer] ausnahmslos diesen Essay unerwähnt ließen, kommt nicht von ungefähr, und …
Hinweis auf drei Neuerscheinungen
Testcard #17
Die neue Ausgabe der Phase2 liegt vor. Die neue Ausgabe der testcard liegt vor. Die neue Ausgabe der Streifzüge liegt vor. ————————————————————————- (17)