Sommersemester 2008: Neue Positionen der Kunsttheorie

Neue Positionen der Kunsttheorie (Philosophie der Musik) – Leuphana Universität Lüneburg (Leuphana-Bachelor – Major Angewandte Kulturwissenschaften; Klassische Ästhetik und neuere Kunsttheorie)
Die Frage nach der Ästhetik, insbesondere der Musikästhetik erweist sich als komplex und umfasst viele Aspekte. Der Begriff der Ästhetik hat im zwanzigsten Jahrhundert grundsätzliche Veränderungen erfahren, die mit dem Verhältnis von Kunst und Gesellschaft korrespondieren und die allgemeinen Entwicklungen der modernen beziehungsweise postmodernen Kultur betreffen.
Ausgangspunkt dieser Veränderungen sind die Avantgarde-Bewegungen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit ihnen löst sich die philosophische Ästhetik aus ihrem akademischen Rahmen und wird zur Domäne künstlerischer Praxis.
Besondere Konsequenzen hat das für die Musik, die sich nun mehr auch historisch neu verorten muss: und das ist nicht nur eine Neupositionierung innerhalb der Künste und der Ästhetik, sondern auch aktualisierende Definition des gesellschaftlichen Ortes der Musik: wie keine andere Kunst ist sie von der Dynamik von high and low, E und U betroffen. Die avancierten Formen der Neuen Musik bleiben disparat zu den Entwicklungen der Massenmusik, zum Jazz und später auch zum Rock ’n’ Roll und schließlich Pop. Gleichwohl bildet sich auch hier eine Ästhetik heraus, die zunehmend Formen der klassischen bürgerlichen Ästhetik zu unterwerfen scheint. Adorno und Horkheimer haben das im Kulturindustrie-Abschnitt der ›Dialektik der Aufklärung‹ erstmals umfassend diagnostiziert. Und Adornos ›Philosophie der Neuen Musik‹ stellt gleichsam den Versuch einer kritisch-ästhetischen Rettung dar, die Kunst zu verteidigen.
Innerhalb des Kanons der modernen Künste scheint die Musik von einer zunehmenden Marginalisierung betroffen zu sein und wird kaum wahrgenommen. Gleichzeitig hat sich die öffentlich-allgemeine Vorstellung der Kunstmusik auf ›Klassik‹ verengt; und ›Klassik‹ bildet zudem ein beliebtes wie profitables Segment innerhalb des Musikbetriebs. Mit der Ausweitung der Popkultur in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wird indes paradoxerweise die Musik zur gesellschaftlichen und ästhetischen Leitkunst: Gerade die zunehmende mediale Visualisierung, die Vorherrschaft des Optischen scheint maßgeblich an die Musik gebunden zu sein (Stichworte: Musik im Film, Werbung, Musikfernsehen …). Daraus ergeben sich nicht nur musikästhetisch interessante Fragen, sondern Probleme, die für die eine ästhetische Theorie der Gegenwart von höchster Relevanz sind.

(20)