Wintersemester 2016 / 2017:
Utopien in der Popmusik / Popmusik als Utopie

In den 1950er Jahren veröffentlicht der Philosoph Ernst Bloch sein Hauptwerk ›Das Prinzip Hoffnung‹, in dem es um die Frage nach der Wirklichkeit und Möglichkeit konkreter Utopie geht. Im selben Jahrzehnt, das ist bekannt, erobert der Pop, der Rock ’n’ Roll, der Soul etc. die Welt. – Utopie ist wörtlich ein Nicht-Ort; solche Nicht-Orte gibt es rein geografisch im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr. Blochs konkrete Utopie liegt in der Zukunft bzw. ist sie die Zukunft: von Menschen menschlich gestaltet, nicht entfremdet, radikal und in realer Demokratie. Der Konsumkapitalismus der Überflussgesellschaft skizziert ein ähnliches Bild: Herbert Marcuse spricht vom Ende der Utopie, weil es die gegenwärtige Zeit scheinbar vermag, alle Utopie auch ohne Utopisches zu verwirklichen. Die Popmusik ist von solchen Inszenierungen, Wünschen, Vorstellungen, Ideen, Idyllen, Visionen voll. Das spiegelt sich insbesondere in den Genres und Musikkulturen der 1970er bis 1990er. Einige sprechen von einem Bruch, der sich mit der Jahrtausendwende abzeichnet: heute scheint nicht einmal mehr der Kapitalismus (etwa in Bildern des Pop) »seine« Illusionen der Utopie glaubhaft reproduzieren zu können: Der Kapitalismus ist keine Alternative, und mehr noch – er lässt auch keine anderen Alternativen mehr zu (das zumindest die These von Mark Fisher, der, bemerkenswerterweise sich nicht als Gesellschaftstheoretiker, sondern Popkritiker einen Namen gemacht hat …). – Wir wollen im Seminar die Spuren der Utopie im Pop und anderswo suchen. Taugt(e) Pop überhaupt jemals als Soundtrack der Utopie? Und mithin: Brauchen wir eigentlich eine Utopie?

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