Sommersemester 2002: Von der kritischen Theorie der Massenkultur zum Popdiskurs

Von der kritischen Theorie der Massenkultur zum Popdiskurs – Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Gestaltung (Bereich Ästhetik)
Blockseminar: Vorbesprechung: Freitag – 26. April, 16.00 Uhr; Einführung: Samstag – 27. April; 1. Block: 21. Juni bis 23. Juni; 2. Block: 5. Juli bis Sonntag: 7. Juli
Die Kunst hebt sich in der Moderne unter den Bedingungen des Marktes auf, wo sie nämlich Ware wird. Zumindest die höhere Kultur wird überflüssig, demokratisch bedroht. Mit dieser Analyse gab etwa Tocqueville im vorletzten Jahrhundert einen Anstoß für die Kulturkritik, wie sie alsbald für eine lebensphilosophische, kulturpessimistische Richtung prägend werden sollte: »Das Elend der mühsam lebenden Menschen muss noch gesteigert werden, um einer geringen Anzahl olympischer Menschen die Produktion der Kunstwerke zu ermöglichen.« (Nietzsche) Von dieser Variante der Kulturkritik grenzt sich die kritische Theorie ab; entscheidend ist dabei schon der Kulturbegriff, den Autoren wie Max Horkheimer, Theodor W. Adorno oder Herbert Marcuse an Karl Marx Konzept der Kultur als Reproduktionssphäre orientieren. Ferner ist die kritische Theorie bemüht, diesen gesellschaftstheoretischen Ansatz mit Erkenntnissen der Psychoanalyse, vor allem der Freudschen Trieblehre (Stichwort: Lustprinzip versus Realitätsprinzip) zu verbinden: Das Ziel ist, Kultur nicht als eigenständiges Wertereich der hohen Kunst zu überhöhen, sondern soziale Widerspruchsverhältnisse aufzudecken, die sich in der Kultur manifestieren – Kulturkritik umfasst damit sowohl eine ideologiekritische und eine gesellschaftskritische Dimension; es geht um immanente und utopische Aspekte des kulturellen Prozesses. Gleichwohl birgt auch diese Kulturkritik der kritischen Theorie die Gefahr, »Kultur« mit »geistigen Produkten« und »Kunst« gleichzusetzen, obzwar Marcuse in seinen Schriften einen Ansatz ausgearbeitet hat, der – mit großem Interesse an moderner Massenkultur – die kulturelle Praxis der Menschen in ihrer Vielfalt zu entschlüsseln hilft, ohne den prinzipiellen Widerspruchscharakter von Kultur und Gesellschaft aus dem Blick zu verlieren. Walter Benjamin hat in ähnlicher Weise die Bedeutung des Zusammenhangs von Technik und Wahrnehmung in der modernen Massenkultur hervorgehoben. Als Weiterführung einer kritischen Theorie der Massenkultur lassen sich die Kontext- und Strukturanalysen der Cultural Studies verstehen. Die Cultural Studies spielen heute eine wichtige Rolle bei der Beurteilung einer Massenkultur, die mehr und mehr zur Alltagskultur geworden ist. Gerade die Entwicklung der so genannten Popkultur zeigt, dass die ursprüngliche Kritik der Kulturindustrie nicht in allen Punkten haltbar ist. Gleichwohl lässt sich anhand der Phänomene der Popkultur auch die Aktualität der kritischen Theorie diskutieren.

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